Studio LCB mit Günter Herburger
09. Juni 2016
Literarisches Colloquium Berlin
Lesung: Günter Herburger
Gesprächspartner: Michael Buselmeier und Svenja Flaßpöhler
Moderation: Tobias Lehmkuhl
Programmtext
Als Student Anfang der fünfziger Jahre war es das Sanskrit des fernen Indien, das ihn anzog. Als Ausdauerläufer durchquerte er später die Sahara, und in seinem jüngsten Roman lässt Günter Herburger eine Frau aus Bolivien in der vielleicht exotischsten und fremdesten aller Landschaften landen: mitten im Allgäu. Erzählerisch zumindest kehrt Herburger damit an den Ort seiner Herkunft zurück, auch wenn er selbst seit langem wieder in Berlin lebt. Dort hatte er schon einmal in den sechziger Jahren gewohnt, in Rufweite von Günter Grass und Uwe Johnson. 1964 nahm er an einem Treffen der Gruppe 47 teil, wobei schnell klar wurde, dass Herburger unter den ohnehin sehr eigensinnigen Schriftstellern zu den eigensinnigsten zählt, und auch erzählerisch immer schon sehr eigene Wege geht – als Dichter, Kinderbuchautor und eben auch als Verfasser schwer zu fassender, utopischer, skurriler, surrealer und zugleich ganz gegenwärtiger Romane. In „Wildnis, singend“ (Hanani Verlag) nun fallen Fische vom Himmel und fliegen Schweine in die Luft, und was dazwischen mit den Menschen geschieht, ist so wundersam wie schrecklich und schön. Gesprächspartner von Günter Herburger sind die Philosophin Svenja Flaßpöhler und sein Heidelberger Dichterkollege Michael Buselmeier.
Weiterführende Information
"Mindestens dreiundfünfzig Jahre Literaturgeschichte" verspricht Moderator Tobias Lehmkuhl dem Publikum zu Beginn dieses Abends mit Günter Herburger. Das Gespräch wendet sich allerdings schnell Herburgers neuem Roman Wildnis, singend zu, den Menschen, Tieren und Großgewächsen in diesem Buch, seinen Orten und Themen. Nach der ersten Lesung dreht sich die Diskussion um die paradiesischen und anti-paradiesischen Züge des Handlungsschauplatzes, um die Motivik von Sündenfall, Opferszenen und Schuld in dem Roman; Svenja Flaßpöhler stellt auch darüber hinaus biblische Bezüge fest. Auch über das Allgäu, Herburgers Kindheitslandschaft wird gesprochen. Tobias Lehmkuhl weitet das Gespräch in Richtung von Günter Herburgers Gesamtwerk - warum hat der Autor in der jüngeren Vergangenheit so wenige Romane geschrieben? Herburger erwidert knapp, das Laufen habe ihn zu sehr beschäftigt.
Im Anschluss liest der Schriftsteller aus seinem Lyrikband Schatz und nimmt zwischendrin einen Telefonanruf von seiner Frau entgegen. Der knapp ins Telefon gesprochene Satz, "Ich bin noch nicht fertig," könnte auch als Motto über Herburgers Spätwerk stehen - später am Abend wird der Autor schon sein nächstes Buch, "Amelungen," ankündigen.
Vom Moderator zur Qualität der Herburgerschen Dichtung befragt, hebt Michael Buselmeier vor allem die Knappheit und Pointiertheit dieser Lyrik hervor, die "harten Bilder" Herburgers. Tobias Lehmkuhl schätzt auch die längeren Gedichte und beruft sich dabei auf Herburgers alten Bekannten Walter Höllerer, den Gründer des LCB. Zurück bei "Wildnis, singend" verweist Svenja Flaßpöhler auf den "Herburger-Fluss" der Handlung, der zwischen "Haupthandlung" und Abschweifung nicht hierarchisiere - der Begriff der "gleichschwebenden Aufmerksamkeit" biete sich hierfür an. Zum Schluss wird noch über die Charakterzüge der Figuren gesprochen und Günter Herburger liest eine Passage vom Anfang des Romans.